
…und immer wieder der Jakobsweg.
Ja, ich gebe es zu, ich bin süchtig! Ich bin abhängig, kann nicht mehr ohne, es hat mich gepackt und ich werde ganz kribbelig, wenn ich denke: „Dieses Jahr klappt es nicht!“ Und dann sorge ich dafür, dass es klappt! Vor 15 Jahren wurde ich infiziert und seitdem muss es mindestens einmal im Jahr sein. Meist bricht dieser Virus im Frühjahr zum ersten Mal aus und oft gibt es im Herbst noch mal einen Rückfall. Doch keine Angst, er ist nicht gefährlich und es handelt sich um keine wirkliche Krankheit. Es ist der Jakobsweg!
Schon vor mehr als 15 Jahren meinten gute Wanderfreunde: „Dieser Pilgerweg in Spanien, über die Pyrenäen, der wäre doch was für dich.“ Ich wurde neugierig und buchte schließlich gemeinsam mit einer Freundin 2004 ein Teilstück des Jakobsweges in Spanien von St. Jean Pied de Port über die Pyrenäen bis nach Logroño. Gepäcktransport, Hotels und kaum Kontakt zu anderen Pilgern, das entsprach dann doch nicht meiner Vorstellung.
Aber ich hatte Blut geleckt! Wie bei vielen Pilgern, die mit dem Camino de Santiago in Berührung kommen, spürte ich eine Sehnsucht und es zog mich schon im darauffolgenden Jahr wieder zurück. Da pilgerte ich aber alleine los, mit 10 kg auf dem Rücken, den Kopf voll von Arbeitsstress und Sorgen um den kranken Vater, mit Angst im Herzen, was mich wohl erwarten würde und ob ich das schaffe? In 5 ½ Wochen pilgerte ich auf dem Camino Frances 1000 km quer durch Nordspanien, vom Somportpass bis nach Santiago de Compostela und weiter zum Finisterre, dem „Ende der Welt“.
Facettenreich und frei von Sorgen
Der Jakobsweg ist aber nicht nur – und zum Teil auch gar kein – Wanderweg. Der hält eine ganze Menge mehr für den Pilger bereit. Das Gehen vollzieht sich da nicht nur mit den Füßen, es passiert auch eine ganze Menge im Kopf. Beim Wandern über die Berge in freier Natur, da wird er erstmal frei, die Gedanken ziehen durch die verstopften Gehirnkanäle, die voll sind von Computern, Anforderungen, Erwartungen und einem Sumpf von emotionalem Smog.
mehr für den Pilger bereit. Das Gehen vollzieht sich da nicht nur mit den Füßen, es passiert auch eine ganze Menge im Kopf. Beim Wandern über die Berge in freier Natur, da wird er erstmal frei, die Gedanken ziehen durch die verstopften Gehirnkanäle, die voll sind von Computern, Anforderungen, Erwartungen und einem Sumpf von emotionalem Smog.
Leerlaufen. Nicht reden. Einfach nur sein.
Tag für Tag zieht man im Morgengrauen los, um in der kühleren Morgenluft schon mal ein großes Teilstück der Tagesetappe, die man sich gesetzt hat, zu bewältigen. Schmerzen an der Hüfte, zum Glück keine Blasen, Siesta bei 40 °C im Schatten – über mir kreisen die Geier. Und dann kilometerlang an der Autobahn entlang durch das liebliche Rioja.
Da stellen sich viele Fragen: Was machen wir mit unserer Welt? Was brauche ich wirklich zum Leben? Wovor laufe ich weg und wo laufe ich hin? Ist wirklich das angebliche Grab eines Apostels das Ziel dieser Reise? Religiös, sportlich, spirituell und auch touristisch – der Jakobsweg zeigt sich in allen Facetten des Lebens und für jeden ist da was dabei.
Eine Reise zum eigenen Ich
Doch das Beste am Weg sind die Menschen, denen man begegnet. Die kennen einen doch gar nicht und doch verhalten sie sich zu mir, wie viele Menschen zu Hause, denen ich vertraut bin. Liegt das vielleicht an mir? Sie halten mir einen Spiegel vor und ich sehe hinein. Und da begegne ich endlich dem Menschen, wegen dem ich hier bin, mir selbst. Na ja, das ist schon heftiger Tobak! Da ist das Grab des hl. Jakobus zu erreichen, die Statue zu umarmen und die Compostela abzuholen nur noch profanes Beiwerk.
Noch drei weitere lange Wanderetappen schleppe ich mich bis zum Finisterre, was für die alten Römer das Ende der Welt war. Ich lasse den Blick über den Atlantik schweifen und spüre die Energie der Pilgerströme von Kelten und Christen, die über Jahrhunderte und Jahrtausende hierher gegangen sind. Ein Sonnenuntergang mit einem Engel als Symbol für meine innere Wandlung.
Ja, ich habe mich gewandelt und auch einen beruflichen Neuanfang gewagt. Der hat mich schließlich zu engelhorn gebracht und ich versorgte nun begeistert alle Wanderer und Pilger mit der nötigen und vor allem leichten Ausrüstung, die sie für ihren Weg brauchen. Warum ich aber immer wieder zurückkehre? Unser Leben ist Bewegung und Veränderung, das zeigt mir auch der Camino. Jedes Mal hält er andere Antworten bereit, auf Fragen, die ich (noch) gar nicht gestellt habe.
Zudem gibt es ja nicht den Jakobsweg.
Es ist ein Wegenetz, das sich über ganz Europa erstreckt. So kann man an der Haustüre beginnen über die Pfälzer Jakobswege nach Wissembourg wandern, dann weiter durch Frankreich bis Spanien und dann den Hauptweg bis nach Santiago. Dieser ist seit Hape Kerkeling allerdings sehr stark frequentiert und die Angst, kein Bett in den „primitiven“ Herbergen zu bekommen, animiert die Pilger zu wahren Gewaltmärschen, die dann in einer erschöpften Siesta in einem Herbergsbett enden, um schließlich gegen 4 Uhr noch in dunkler Nacht wieder aufzubrechen und das nächste Bett zu ergattern.
Der wahre Geist des Weges
Doch ja, es gibt wirklich schöne Alternativen zu der Hauptroute. Vielleicht der Küstenweg von Irun über Bilbao und Santander oder die Via de la Plata von Sevilla über Merida, Salamanca und Ourense. Dort spürt man noch den wahren Geist des Weges. Die Mitpilger sind meist „alte Hasen“, die sich nicht mehr von Bettenwahn und Kilometerrekorden treiben lassen. Die Wege führen vielfach auf Wanderwegen durch die Natur und auch kulturell und geschichtlich ist hier einiges geboten. Via de la Plata hat nämlich nichts mit den Edelmetallfunden in dieser Gegend zu tun, sondern bedeutet vielmehr „Plattenweg“.
Vielfach pilgert man direkt auf den alten römischen Pflastersteinen an gut erhaltenen Meilensteinen vorbei und durch den beeindruckenden Torbogen von Cáparra. In liebevoll authentischen Pilgerherbergen sitzt man gemeinsam mit dem Pfarrer am Tisch oder steht selbst in der Küche, um die ganze Pilgerschar mit Essen zu versorgen. Man findet Freunde aus aller Welt und, wieder zu Hause, kommt nicht selten eine SMS auf’s Handy: „Bin wieder auf dem Camino! Buen Camino von Kerstin :).“
Jakobsweg-Packliste zum Download
Für alle, die sich mehr Infos, Tipps und Tricks wünschen, lade ich ein, mich währen den Pilgertagen vom 22.11. – 23.11.2019 zu besuchen. Hier könnt ihr mir alle eure brennenden Fragen stellen.
Kommt vorbei ich würde mich freuen!