
Vallée Blanche / Mer du Glace Skiabfahrt: Ein Erfahrungsbericht
Dauer/Länge: 2.690hm, 19,5 km, 4 Stunden
Höchster Punkt: Aiguille du Midi, 3.842m
Startpunkt: Chamonix Talstation Aiguille du Midi
Schwierigkeitsgrad: kommt auf die Schneeverhältnisse an, siehe Beschreibung
Ausrüstung: Ski- / Snowboardausrüstung, Gurt, Seil, Karabiner, Lawinenausrüstung
Anfahrt/Parken: parken an der Talstation
Einkehrmöglichkeit: keine
„Die Abfahrt über den Gletscher Vallée Blanche und das Mer du Glace in Chamonix ist eine der längsten Skiabfahrten der Welt, die man über eine Gondel erreichen kann. Die Abfahrt ist ein Traum für alle Skifahrer und Snowboarder, die Aussichten einfach bombastisch und die ganze Unternehmung ein unvergleichliches Erlebnis!“
So ungefähr lauten die Berichte im Internet und auch von Augenzeugen über das berühmteste, massentaugliche Ski-Abenteuer am Mont Blanc. Trotzdem waren wir uns nicht sicher, ob wir dieses Unterfangen auch angehen sollten. Also kauften wir uns erst einmal ein Ticket und fuhren als „Normalo“, nur ausgerüstet mit einer Kamera, die Gondel hinauf zur Aguille du Midi. Ich hatte sogar Plätze im Internet reserviert, die wir letztendlich jedoch Mitte März nicht brauchten, es war zu wenig los.
Das Wetter war aber bombastisch, der Mont Blanc zum Greifen nah, die Skipisten unten im Tal sahen aus wie Anfängerhügel.
Als wir die Massen Skifahrer und Snowboarder beobachteten, wie sie den Grat hinunter zum Anschnallplatz rutschten und dann in der gleißenden Weite des Vallée Blanche verschwanden, war uns klar: Das müssen wir auch machen. Es hatte zwar seit Tagen nicht geschneit und statt Powder glich der Gletscher eher einer Piste, aber wann würden wir mal wieder hier sein, und noch dazu bei solchem Wetter? Wir sprachen mit ein paar Leuten oben in der Gondel und die einhellige Meinung war: Unbedingt mit Guide machen, wenn man selbst keine ausgiebige Gletschererfahrung hat. Definitiv nicht ohne Lawinenpieps, Seil und Gurt für die etwaige Spaltenbergung.
Also hinunter nach Chamonix und beim Bureau de Guides einen Guide für den nächsten Tag anheuern. Wir entschieden uns für einen privaten Guide, da wir als Kombination aus Skifahrer und Snowboarder nicht in einer Gruppe hätten fahren können.
Detaillierte Tipps zur Planung und Ausrüstung für die Abfahrt findet ihr übrigens in meinem Artikel Tipps und Ausrüstung, der in 3 Tagen erscheint!
Das Abenteuer beginnt
Am nächsten Tag um 8 Uhr ist Treffpunkt an der Gondel mit unserem Guide Stephane, der seinen Job an diesem perfekten Tag super findet und uns oben vor dem Ausstieg mit Gurt, Karabiner und Pieps ausstattet. Als wir bei wolkenlosem Himmel den Grat hinunterstapfen, sind wir quasi die einzigen auf dem Abstieg – eine absolute Seltenheit laut Stephane. Meine Skischuhe bieten auf dem steilen Schneeweg keinerlei Halt, aber ich kann mich gut am Seil festhalten und so quasi den Weg hinunterrutschen. Bissel anstrengend für die Arme, aber ansonsten kann ich nicht bestätigen, was so viele Erfahrungsberichte schreiben, nämlich dass der Weg hinunter absolutes Herzklopfen und Angstzustände hervorrufen soll. Der Weg ist so ausgetreten, dass er einem Hohlweg ähnelt, falls man ausrutscht und sich nicht an dem doppelten, robusten Geländer auf beiden Seiten (!) festhalten kann, rutscht man höchstens dem Vorgänger in die Kniekehlen, aber sicher nicht die Bergflanke hinunter. Solange man nicht das erste Mal in seinem Leben auf einem Berg steht, sollte dieser Weg machbar sein, auch ohne Todesängste.
Durch den Gletscherbruch
Ich habe mehr Respekt vor der Beschaffenheit der Abfahrt, die nun auf uns zukommt. Wir schnallen an, knipsen die obligatorischen Fotos, und los geht es über harte Buckel den Hang hinunter. Ich falle gleich beim zweiten Buckel hin und denke „das kann ja was werden“, aber der nächste Abschnitt ist unproblematisch. Wir nehmen eine der steileren Varianten durch den Gletscherbruch und passieren spektakuläre Spalten, Séracs und Eisbrücken. Wir müssen immer hinter dem Guide bleiben, dürfen aber auch nicht trödeln, im Gletscherbruch ist zu langes an-einer-Stelle-stehen nicht sinnvoll. Nach einer Viertelstunde geht mir ganz schön die Puste, normalerweise setzt man sich jetzt wieder bequem in einen Sessellift.
Stephane ruft „Alléz, alléz“ und fordert uns auf, direkt in seiner Spur zu fahren. Wir sehen warum, auf der Strecke tun sich immer wieder kleine Spalten auf, die unter der Schneedecke viel größer sein können. Bei zwei Metern Bewegung pro Tag, die der Gletscher im Eisbruch zurücklegt, entstehen diese Spalten schnell. Vorbei geht es an den Granitnadeln der umliegenden Berge, wir sehen den Dent du Geant, die Grandes Jorasses, die Aiguille Verte mit der Drus. Das Panorama ist unbeschreiblich.
Ein anstrengendes Ende
Unten angekommen streckt sich die Gletscherzunge des Mer du Glace Richtung Tal, wir machen an einem kleinen Felsbrocken in der Mitte des Gletschers Halt um eine Pause einzulegen. Unter uns sind 400m dickes Eis und die anderen Skifahrer düsen die flache Piste auf dem Gletscher hinunter an uns vorbei. Eine Viertelstunde später gesellen wir uns auch dazu, und dann dauert es nicht mehr lange bis wir auf 1.600m das Ende der Abfahrt erreichen. Hier führt eine kleine Gondel hinauf zum Restaurant und Station Les Mottets. Doch um die Gondel zu erreichen müssen wir noch ein paar schweißtreibende Höhenmeter die Treppe hinaufsteigen, die jedes Jahr länger wird, je mehr der Gletscher schwindet. Plaketten am Fels erinnern daran, wie hoch das Eis noch vor 10, 20 Jahren war – ein trauriger Anblick.
Von der Station aus kann man entweder die Waldabfahrt hinunter nach Chamonix nehmen, oder in unserem Fall wegen mangelnden Schnees die Montevers Bahn. Während wir auf die Bahn warten und in der Mittagssonne einen Cappuccino trinken, ziehen wir ein Gesamtfazit zur Tour: landschaftlich spektakulär, eine sportliche Herausforderung nur bedingt aufgrund der Höhe und der Länge der Abfahrt, aber nicht technisch anspruchsvoll. Das kann jedoch variieren, je nach den Schneeverhältnissen. Auf jeden Fall: Machen, solange so eine Abfahrt in den Alpen noch möglich ist!
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